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  • 05. März 2024
    Knöpft das Geld den Reichen ab?

    Marlene Engelhorn will 25 Millionen Euro spenden Foto wikipedia

    Dieser Artikel in der FAZ

    Wenn sie wollen, können sie freiwillig ihre Millionen dem Staat spenden

    Die Reichen haben es auch nicht leicht. Neid und Missgunst ist ihnen gewiss. Schaut man sich an, wie große Vermögen in unseren Medien bebildert werden, so stehen nach meiner nicht repräsentativen Beobachtung Luxusyachten an erster Stelle (wahlweise mit oder ohne schöne Frauen oder Männer). Yachten – man muss gar nicht gleich an die Oligarchen denken – eignen sich offenbar noch besser als große Anwesen oder dicke Autos zur augenfälligen Demonstration des kleinen Milliardärsunterschieds. Die Kehrseite möglicher Bewunderung ist dann der Neid, der den Reichen ein permanentes schlechtes Gewissen machen soll.

    In seiner ökonomisch klügeren Form kommt die Reichenschelte als Kritik der Ungleichheit daher. Gerne wird mit Vergleichszahlen hantiert nach dem Muster »Das reichste ein Prozent der Bevölkerung verfügt über die Hälfte aller Vermögen«. Ganz genau nachprüfen kann das niemand, weil die Höhe des Vermögens Privatsache ist – zumindest in Ländern, in denen es keine Vermögenssteuer gibt. Würden die Reichen mehr von ihrem Reichtum abgeben, würde das den sozialen Zusammenhalt fördern, den Staat und seine Verschuldungsnöte entlasten und die Zufriedenheit der Bürger insgesamt erhöhen, heißt es.

    Reichen-Bashing ist übrigens nicht erst eine Erfindung des neuzeitlichen Antikapitalismus. Schon im 14. Jahrhundert kommen die »superabundantes« – Leute, die in großem Überfluss leben – alles andere als gut weg. Wer seinen Reichtum den Armen schenkt, steigt im Ansehen: Man denke an Franz von Assisi, Sohn eines superreichen Kaufmanns, der seinem Vater sein ganzes Erbe vor die Füße warf, fortan in Armut lebte und den Franziskanerorden gründet, einen sogenannten Bettelorden.

    Eine heutige Nachfolgerin des Franz von Assisi ist Marlene Engelhorn. Die Österreicherin, 31 Jahre alt, ist Nachfahrin von BASF-Gründer Friedrich Engelhorn. Vor drei Jahren erfuhr Engelhorn, dass sie von ihrer Großmutter Traudl ein stattliches Millionenerbe zu erwarten hat. Das findet sie nicht in Ordnung: »Ich habe ein Vermögen und damit Macht geerbt, ohne etwas dafür getan zu haben«, gibt sie in Interviews zu Protokoll. In Deutschland müsste sie abzüglich eines Freibetrags von 400.000 Euro immerhin 23 Prozent Erbschaftssteuer zahlen. In Österreich gibt es diese Steuer seit 2008 nicht mehr.

    Marlene Engelhorn und Tax me now

    Engelhorn ist fest entschlossen, 90 Prozent ihres Erbes an die Allgemeinheit weiterzugeben. Das sind ungefähr 25 Millionen Euro. Anders als Milliardär Bill Gates gründet sie keine Stiftung. Denn Stiften habe eine »Machtkomponente, die aus meiner Sicht nicht zu rechtfertigen ist.«. Stattdessen hat sie sich ein aufwendiges Verfahren einfallen lassen, wie entschieden werden soll, was mit dem Geld passiert. Ein eigens gegründeter repräsentativer »Bürgerrat« soll Vorschläge für die »Rückverteilung« ihres Reichtums an die Allgemeinheit machen. Sie selbst wolle sich dem Spruch ihres Bürgerrats unterwerfen, sagt die Millionenerbin. Dieses Verfahren entspreche ihrem demokratischen Verständnis.
    Nun ist jedermann frei, was er mit seinem Erbe macht. Er kann es verjubeln, dem Vietkong schenken (wie der ehemalige Frankfurter Stadtkämmerer Tom Königs) oder ein Forschungsinstitut gründen wie der Tabakkonzernerbe Jan Philipp Reemtsma. Marlene Engelhorn hat offenbar vor, das demokratische Gemeinwesens in seinen vielfältigen Aufgaben zu unterstützen. Dazu gibt es normalerweise Steuern und Staatsschulden. Weshalb man Frau Engelhorn fragen könnte, warum sie erst ein so aufwendiges Bürgerratsprozedere erfindet und ihre 25 Millionen nicht einfach dem österreichischen Finanzminister überweist; der Mann heißt übrigens Magnus Brunner.

    Das gehe doch gar nicht, würde Engelhorn vermutlich antworten. Ob so etwas in Österreich geht, weiß ich nicht. In Deutschland geht es schon, obwohl mir gestandene Steuerberater versichert haben, es gehe nicht. Ich rufe im Ministerium von Christian Lindner an. Die Antwort der Sprecherin ist eindeutig: »Einzahlungen freiwilliger Geldleistungen Dritter können seit dem Jahr 2006 getätigt werden.«

    Hätten Sie das gewusst? Deutsche Bürger können ihren Staat freiwillig finanzieren. Ich bin nicht sicher, ob die Millionärsbewegung »Tax me now« (»Besteuere mich jetzt!«) dies weiß, die für eine Vermögenssteuer wirbt und der auch Marlene Engelhorn anhängt. Denn diese Bewegung argumentiert gerne nach dem Motto: Wir würden ja gerne, dürfen aber nicht.

    Die Bundeskasse nimmt Bürgergeld gerne

    Doch, sie dürfen. Es geht ganz einfach, wie mir die Lindner-Sprecherin im Nachgang zum Telefonat schriftlich erklärt. Einfach den Betrag von, sagen wir, 25 Millionen auf das Konto der Bundeskasse Halle/Saale bei der Deutschen Bundesbank Filiale Leipzig überweisen: IBAN DE17 8600 0000 0086 0010 30 BIC: MARKDEF1860. Probieren Sie es gerne bei nächster Gelegenheit aus. Das Geld darf nicht zweckgebunden sein. Es fließt auch nicht direkt in den Bundeshaushalt, sondern wird zur Schuldentilgung verwendet. Das bedeutet, dass der Staat künftig weniger Zinsen zahlen muss, der Schuldendienst schrumpft und das gesparte Geld für sinnvolle Staatsaufgaben zur Verfügung hat. Schuldentilgung per Spendenaufruf.

    Ja um Himmelswillen, warum gibt es dann nicht längst eine große Werbekampagne der Regierung mit dem Slogan: »Reiche, helft uns bei der Schuldentilgung!«? Man bewerbe diese Einnahmequelle nicht aktiv, so das BMF. Es solle nicht so aussehen, als sei der Staat auf Spenden angewiesen. Zudem wolle man nicht in Konkurrenz treten zu gemeinnützigen Einrichtungen. Wenn vereinzelt Bürger einen freiwilligen Beitrag zur Schuldentilgung leisten möchten, stünde ihnen das offen. Steuerlich absetzbar sind diese Spenden übrigens nicht, das wäre ja auch widersinnig.

    Mir leuchtet diese schamhafte Zurückhaltung des Finanzministers nicht ein. Fast klingt es so, als ob die Regierung selbst nicht ganz überzeugt sei vom Sinn ihrer Politik und den guten Zwecken der Staatsfinanzierung. Dabei hören wir doch von den Ministern tagtäglich, warum überall gutes Geld fehlt: Kriegsfinanzierung in der Ukraine, regenerative Transformation der Energie, Nothilfe gegen die Wachstumsschwäche der Wirtschaft. Insofern wäre es nur konsequent, der Finanzminister würde auch direkt milde Zuwendungen für den von Not gebeutelten Haushalt willkommen heißen, und nicht ausschließlich den Schuldenabbau gestatten. Oder sind Steuern etwas nur dann gutes Geld, wenn sie zwangsweise kassiert werden? Das fände ich ein merkwürdig autoritäres Staatsverständnis.

    Wenn also diese Kolumne nicht hilft, die Möglichkeit der freiwilligen Staatsfinanzierung durch Multimillionäre bekannt zu machen, dann sollte die Bewegung Tax me now schleunigst eine große Kampagne zur freiwilligen Tilgung von Staatschulden durch die Bürger starten -, gerne unter Angabe der Kontonummer der Bundeskasse.

    Rainer Hank